Gedanken eines Geflüchteten aus Afghanistan.
Nach dem Anschlag in München hat einer der Menschen aus Afghanistan, die bei uns in Holzwickede wohnen, nachfolgende WhatsApp geschrieben:
Liebe H.
Ich möchte dir meine Gedanken zu den letzten Ereignissen mitteilen, an denen einige Afghanen beteiligt waren. Als Afghane fühle ich mich sehr beschämt und traurig darüber. Die Vorfälle spiegeln keinesfalls mich oder andere Afghanen wider. Ich möchte mich aufrichtig dafür entschuldigen. Ich möchte auch betonen, dass nicht alle Menschen gleich sind und dass die Fehler von wenigen nicht dazu führen sollten, alle Afghanen in einem schlechten Licht zu sehen. Leider haben die Personen, die solch schreckliche Taten begangen haben, wahrscheinlich nie eine richtige Erziehung in der Familie erfahren. Wären sie richtig erzogen worden, hätten sie solche Dinge nicht getan.
Ich danke dir auch sehr für all deine Hilfe, du du mir während des Sprachkurses gegeben hast, und auch bei den vielen anderen Sachen, bei denen du mir geholfen hast – sei es bei der Bürokratie oder anderen Problemen. Du hast mir wirklich geholfen, und dafür bin ich dir sehr dankbar.
Vor zwei Jahren bin ich nah Deutschland gekommen und habe in dieser Zeit die deutsche Sprache gut gelernt, den Kurs „Leben in Deutschland“ abgeschlossen und meinen Führerschein auf Deutsch gemacht. Mein Ziel ist es, hier ein respektvolles und nützliches Leben zu führen.
Ich hoffe, dass diese Vorfälle keine Missverständnisse oder Vorurteile über mich und andere Afghanen hervorrufen. Nochmals Entschuldigung für das, was passiert ist.
Ich möchte auch ehrlich sagen, dass ich heute sehr traurig und enttäuscht bin. Ich konnte den Tag kaum ertragen und hatte keinen Appetit, um etwas zu essen. Es fällt mir schwer, all das zu verarbeiten. Ich fühle mich sehr belastet durch das, was passiert ist.Aber ich hoffe, dass du verstehst, dass dies nicht das ist, das ich für mich selbst oder für andere Afghanen will.
Liebe Grüße
Hasib*
* (Der Flüchtlingsinitiative ist der volle Name bekannt)
Die Vorsitzende des Ausschuss für Jugend, Familie, Senioren und Soziales, Stefanie Meier hat folgende Stellungnahme zur Veröffentlichung freigegeben:
Als Vorsitzende des Ausschuss für Jugend, Familie, Senioren und Soziales möchte ich kurz zur aktuellen Situation, besonders in Bezug auf die Migrationspolitik, eine Stellungnahme abgeben.
Die letzten Wochen haben unsere Gesellschaft stark gefordert. Die Attentate in Magdeburg, Aschaffenburg und München heizen die Diskussion um die Zugewanderten an und wir laufen Gefahr zu pauschalisieren. Ich will hier auf keinen Fall Position für die Attentäter ergreifen. Ihr Handeln ist verabscheuungswürdig und grausam und übersteigt meine persönliche Vorstellungskraft. Die Opfer zufällig gewählte Personen, die sich morgens von Familien und Freunden verabschiedet haben und abends nicht zurückkehrten, oder nie wieder zurückkehren. Die Verletzung oder Tötung eines geliebten Menschen ist entsetzlich und das Handeln unentschuldbar. Die Taten müssen mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden!
Grund meines Kommentars ist unsere Willkommenskultur. Hier in Holzwickede können wir uns darauf verlassen, dass Flüchtlinge empfangen und begleitet werden. Seit vielen Jahren fühle ich mich der Flüchtlingsinitiative verbunden. Durch Menschen wie z.B. Roswitha Göbel-Wiemers und Friedhelm Nusch, stellvertretend für alle ehrenamtlich Engagierten, wird Integration ermöglicht. Seitdem es die Kooperation mit der Caritas gibt, ist auch der bürokratische Aufwand händelbar. Im Zusammenwirken von Verwaltung, Flüchtlingshilfe, Caritas, Kirche und Ehrenamt ist ein respektvolles Willkommen und Miteinander gelungen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, vor Krieg, Zerstörung und Verfolgung flüchteten. Sie kommen mit ihren Kindern, um Schutz und Sicherheit zu finden. Was nehmen diese Familien in Kauf für ein friedliches, sicheres Leben? Wie verzweifelt mussten sie sein und um ihr Leben fürchten, um all die Gefahren und Verluste, die mit der Flucht verbunden waren, auf sich zu nehmen?
>All diese belastenden Erfahrungen haben sie unsichtbar in ihrem Gepäck mitgebracht. Die kommen zum Teil hoch traumatisiert kommen hier an. Mit wem können sie darüber sprechen, wer kann sie verstehen, woher die Worte nehmen, dies alles zur Sprache zu bringen. Können wir uns vorstellen, wie einsam und verlassen sie sich fühlen müssen? Viele von ihnen verdrängen wahrscheinlich das Erlebte und versuchen, einfach zu funktionieren. Die Für-“sorge“, die sie benötigen, findet nur unzureichend statt, weil auf allen Ebenen Helfende fehlen.
Die Zahl derer, die auf der Flucht ertranken oder in der Wüste verdursteten, die in den Folterlagern in Libyen Schreckliches erleiden mussten, kennen wir nicht und übersteigt wahrscheinlich unsere Vorstellung.
Wie dankbar müssen wir hier sein, dass wir in Frieden und Freiheit leben dürfen? Durch die aktuelle politische Diskussion über Krieg, Inflation, Wirtschafts- und Flüchtlingskrise, werden neue Ängste geschürt. Eingebürgerte Syrer sind verzweifelt, haben Angst um ihre Familien und werden angefeindet. Bekommt ein Flüchtling hier Unterstützung, habe ich deswegen nicht weniger!
Wir leben hier im „christlichen Abendland“. Das bedeutet für mich Nächstenliebe, Menschenwürde, respektvolles, soziales und demokratisches Handeln.
Als Vorsitzende fühle ich mich auch besonders unserer Jugend verpflichtet. Wir haben mit Ortsjugendring, Zukunftsparlament und in Zusammenarbeit mit dem Treffpunkt Villa eine Möglichkeit geschaffen, unseren Kindern und Jugendlichen gerade diese Werte zu vermitteln.
Mein sehnlicher Wunsch ist: Wählen Sie am Sonntag demokratisch und seien Sie sich ihrer Verantwortung auch gegenüber der nachfolgenden Generationen bewusst. Nie war eine Wahl so wichtig! Hier ist kein Platz für Rechtsextremismus, Nationalismus, Remigration und antieuropäischesGedankengut!