Syrien
Rafik Schami - „Sophia oder der Anfang aller Geschichten“
In einem höchst unterhaltsamen Roman erzählt Rafik Schami von seiner Heimatstadt Damaskus in den Zeiten des Arabischen Frühlings. „Sophia oder der Anfang aller Geschichten“ ist ein erstklassiger Spionagethriller, aber vor allem ein Buch über die Kraft der Gefühle.
Salman, der erfolgreiche Geschäftsmann und Exilsyrer traut dem Amnestieangebot der syrischen Regierung und kehrt nach Syrien zurück. Erinnerungsselig durch die Quartiere seiner Kindheit schlendernd, durch Souks und Kaffeehäuser, ahnt er nicht, dass er von einem Cousin, einem hohen Offizier des Geheimdienstes, in eine Falle gelockt wurde – um Lösegeld zu erpressen und ihn anschließend in den Folterkellern verschwinden zu lassen. Rettung in der höchsten Not naht durch einen ehemaligen Liebhaber seiner Mutter. Sophia hatte Karim zwar als Ehemann verschmäht, ihn aber einst aus den Klauen seiner grausamen Familie gerettet.
Wie sich das Netz der Verfolger um den fliehenden Salman zusammenzieht, welche generalstabsmäßig geplante Raffinesse ihn daraus befreit, das erzählt Schami im rasanten Tempo eines erstklassigen Spionagethrillers. Davor verzweigt sich die Handlung in gemächlichen Schritten zwischen Syrien, Heidelberg und Rom.
Buchbesprechung: https://literaturkritik.de/id/21567
Für alle Freunde orientalischer Erzählkunst kann man nur auf die Fülle von Rafik Schamis Bücher verweisen.
Verlag dtv, als Taschenbuch erhältlich, ISBN: 978-3423146012 , 12,80 EUR
Rafik Schami/Marie Fadel - „Damaskus - der Geschmack einer Stadt“
Eine Liebeserklärung an Damaskus und seine Bewohner: Rafik Schami wurde in Damaskus geboren, seine Schwester Marie Fadel lebt noch heute dort. Die beiden stellen uns ihre Heimatstadt, deren Kultur und Geschichte vor. Vor allem aber erinnert dieses Buch an die Schönheit der Damaszener Altstadt und die Vielfalt der damit verbundenen Lebensgeschichten. Von christlichen, jüdischen und muslimischen Prachtbauten wird erzählt, von den Suks und Hamams, von Teppichhändlern und Obstverkäufern. All das wird so lebendig, dass man bei der Lektüre meint, Kardamom und Koriander auf dem Gewürzmarkt zu riechen und die Rufe der Straßenverkäufer und Kaffeehauserzähler zu hören. Zahlreiche Originalrezepte laden ein, die traditionsreiche arabische Küche kennenzulernen.
Insel Verlag 2016, ISBN: 978-3-458-35887-9, 256 Seiten, 11,00 EUR
Delphine Minoui - „Die geheime Bibliothek von Daraya: Über die Macht der Bücher in Zeiten des Krieges“
Eine Bibliothek als Waffe gegen die Diktatur. Daraya beherbergt einen außergewöhnlichen Ort: eine unterirdische Bibliothek mit über 15 000 Büchern ‒ die meisten vom herrschenden Regime verboten, von Menschen aus dem Schutt zerstörter Häuser geborgen. »Massenunterrichtswaffen« nennt Delphine Minoui diesen Schatz und erzählt in ihrem Buch von jungen Syrern, die ihr Leben riskieren, um Bücher zu retten. Die Bibliothek wird zu einem Ort der Gemeinschaft, an dem Menschen lesen, lernen, diskutieren – und für kurze Zeit der brutalen Realität des Krieges entkommen können.
Alles begann mit einem Foto, das die französisch-iranische Journalistin Delphine Minoui zufällig auf Facebook entdeckte: zwei junge syrische Männer, umgeben von Regalen voller Bücher inmitten von Zerstörung. Darunter war die Rede von einer geheimen Bibliothek im Untergrund Darayas, einem Vorort von Damaskus, der von den Regierungstruppen permanent bombardiert und dem Erdboden nahezu gleichgemacht wurde. Minoui gelang es, mit den Gründern der Bibliothek Kontakt aufzunehmen und sie über zwei Jahre bei allen Wendepunkten und Tiefschlägen des Krieges zu begleiten. Wir begegnen Einzelschicksalen, die durch Bücher verbunden werden und sich so gegen Verzweiflung und Resignation stemmen. Eine Geschichte von der Macht des Lesens und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
„Es ist eine faszinierende Geschichte. Aus ihr klingt jene Hymne an den Frieden, die Bashar al-Assad, der Rais aus Damaskus, so beharrlich zu ersticken sucht. Jene untergründige Melodie, die die Dschihadisten des IS auslöschen wollen. Jene dritte Stimme, die die Lautsprecher der friedlichen Demonstrationen am Beginn des Aufstands gegen das Regime in die Welt getragen haben und die der heutige Konflikt für immer zum Schweigen zu bringen droht.“ (aus dem Prolog des Buches)
Buchbesprechung:
Verlag Bevento, 2018, gebundene Ausgabe, 223 Seiten, 20,00 EUR
Khaled Khalifa - „Der Tod ist ein mühseliges Geschäft“
Der Roman ist ein außergewöhnlicher Road-Trip der besonderen Art durch ein zerstörtes Land Syrien.
Die drei Geschwister Fâtima, Hussain und Bulbul bringen in Hussains Minibus ihren verstorbenen Vater in dessen Heimatdorf, um seinen letzten Willen zu entsprechen. In früheren Zeiten kein Problem, im Krieg eine fast unlösbare Aufgabe: Das Land ist durchsetzt von Straßensperren konkurrierender Kampftruppen, und den Reisenden stellen sich geradezu skurrile Hindernisse in den Weg. Während der langen Fahrt von Damaskus im Süden bis in das väterliche Dorf nördlich von Aleppo hängen die drei Geschwister ihren Erinnerungen an das Familienleben nach.
Mit melancholischer Komik beschreibt der Autor den Alltag im vom Krieg zerrissenen Syrien. Und gibt Einblick in die Struktur einer syrischen Familie. Die Reise vom Süden in den Norden, wo der Vater beerdigt werden soll, ist voller kaum überwindbarer Hindernisse: An einem von Islamisten eingerichteten Checkpoint muss eine Religionsprüfung abgelegt werden. Und an einer anderen von der Armee aufgebauten Straßensperre wird sogar der Leichnam für eine Weile inhaftiert, weil der Leichnam auf der Liste von gesuchten Personen sich befindet.
Verlag Rowohlt 2018, ISBN: 9783499274336, als Taschenbuch erhältlich, 220 Seiten, 12,00 EUR
Aeham Ahmad - „Und die Vögel werden singen: Ich, der Pianist aus den Trümmern“
Ein zutiefst beeindruckendes Zeugnis von Widerstand und Zuversicht: Ein junger Mann spielt Klavier inmitten der Bombenkrater. Für seine Nachbarn, vor allem für die Kinder, um sie von den Schrecken des Krieges abzulenken. Über YouTube hat sein Spiel Menschen auf der ganzen Welt erreicht und bewegt. Nun erzählt Aeham Ahmad seine ganze Geschichte. Von seiner behüteten Kindheit in einem noch friedlichen Syrien, von seinem blinden Vater, dem Instrumentenbauer, von seinen Freunden Mahmoud und Meras, mit denen er durch die Straßen von Damaskus zieht. Doch er erzählt auch von den Anfängen der Rebellion, dem Beginn des schrecklichen Krieges und von seiner lebensgefährlichen Flucht nach Deutschland, das ihm zur neuen Heimat werden muss. Und immer wieder ist es seine Musik, die andere Menschen getröstet, ermutigt und ihm selbst buchstäblich das Leben gerettet hat.
Buchbesprechung: https://www.deutschlandfunkkultur.de/aeham-ahmad-und-die-voegel-werden-singen-der-pianist-aus.1270.de.html?dram:article_id=401276
Fernsehbeitrag des ZDF: https://www.youtube.com/watch?v=IFSGqeAIIyc
Verlag Fischer 2019, als Taschenbuch erhältlich, ISBN: 9783596704217, 336 Seiten
Nigeria
Chimamanda Ngozi Adichie - „Die Hälfte der Sonne“
Eine Geschichte über Liebe und Verrat, Rassismus und Loyalität und das Leben im zerstörerischen Alltag des Krieges.
Im Nigeria der Sechzigerjahre kommt der Dorfjunge Ugwu als Houseboy zu Odenigbo, einem links-intellektuellen Professor, bei dem er lesen und schreiben lernt. Als Odenigbos neue Liebe Olanna ihr privilegiertes Leben in Lagos verlässt, um mit ihm zu leben, wachsen die drei schnell zu einer kleinen Familie zusammen.
Richard, ein englischer Journalist, der in Nigeria Inspiration für sein erstes Buchprojekt sucht, verliebt sich in Olannas ungleiche Schwester Kainene, die die Geschäfte der reichen, aber auch korrupten Familie leitet. Sie alle durchleben durch ihre je eigenen Kämpfe und Erfolge, doch teilen gemeinsam die große Hoffnung auf ein unabhängiges Biafra, das 1967 im Osten Nigerias, wo die Mehrheit der Igbo-Bevölkerung lebt, ausgerufen wird. Nur drei Jahre später versinkt das Land in einem blutigen Bürgerkrieg, der Olanna, Kainene und ihre Liebsten brutal aus ihren Leben reißt und alles Dagewesene ausradiert.
Wer die Konflikte im heutigen Nigeria etwas besser verstehen will, bekommt durch diesen Roman einen Einblick in die Geschichte des Landes, besonders in den Kampf um ein unabhängiges Biafra.
Verlag Fischer 2016, als Taschenbuch erhältlich, ISBN: 978-3-596-03548-9, 640 Seiten, 14,00 EUR
Iran
Shida Bazyar - „Nachts ist es leise in Teheran“
Vier Familienmitglieder, vier Jahrzehnte, vier unvergessliche Stimmen. Aufwühlend und anrührend erzählt Shida Bazyar die Geschichte einer iranisch-deutschen Familie, die ihren Anfang 1979 in Teheran nimmt und den Bogen spannt bis in die deutsche Gegenwart. Von Behsad, dem jungen linken Revolutionär, der in der mutigen, literaturbesessenen Nahid die Liebe seines Lebens findet. Von ihrer Flucht nach der Machtübernahme der Mullahs. Und von ihren Kindern, Laleh, Mo und Tara, die in Deutschland aufwachsen und zwischen den Welten zu Hause sind. Ein bewegender Roman über Revolution, Unterdrückung, Widerstand und den unbedingten Wunsch nach Freiheit.
Auf berührende Weise zeigt Shida Bazyar die Zerreißprobe zwischen zwei Kulturen, vor der geflüchtete Menschen unweigerlich stehen. [...] Wie Sonden schickt sie ihre Romanfiguren in Bereiche, die sonst nicht sichtbar sind.
Verlag KiWi 2017, als Taschenbuch erhältlich, ISBN: 978-3-462-05057-8, 266 Seiten, 9,99 EUR